1In jener Zeit, als es in Israel noch keinen König gab, lebte im äußersten Norden des Berglandes von Efraïm ein Levit, der dort Aufnahme gefunden hatte. Er hatte eine Nebenfrau, die aus Betlehem in Juda stammte. (Ri 17,6)2Weil sie sich über ihren Mann ärgerte, lief sie ihm weg und kehrte zu ihrem Vater nach Betlehem zurück. Als sie schon vier Monate lang dort war,3machte sich ihr Mann mit seinem Knecht und zwei Eseln auf den Weg. Er wollte ihr gut zureden und sie zur Rückkehr bewegen. Die Frau führte ihn ins Haus ihres Vaters. Als der ihn sah, ging er ihm voll Freude entgegen.4Auf das Drängen des Vaters blieb der Levit mit seinem Knecht drei Tage da. Sie aßen und tranken und übernachteten dort.5Am Morgen des vierten Tages wollten sie aufbrechen, aber der Vater sagte zu seinem Schwiegersohn: »Iss noch eine Kleinigkeit, stärke dich für den Weg! Dann könnt ihr gehen.«6So blieben sie noch und die beiden Männer aßen und tranken miteinander. Dann sagte der Vater: »Tu mir den Gefallen und bleib noch einmal über Nacht; lass es dir wohl sein!«7Der Levit wollte gehen, aber der Mann drängte ihn zu bleiben und so gab er noch die Nacht zu.8Als er am Morgen des fünften Tages aufbrechen wollte, sagte der Vater: »Nimm noch eine kleine Stärkung! Wartet mit dem Aufbruch bis gegen Abend, wenn es kühler wird.« So aßen sie noch einmal miteinander.9Als dann der Levit aufstand, um sich mit seiner Frau und dem Knecht auf den Weg zu machen, sagte der Vater: »Es geht schon auf den Abend zu, gleich wird es dunkel; übernachtet doch noch einmal! Bleib noch eine Nacht und lass es dir hier wohl sein; morgen früh könnt ihr aufbrechen und nach Hause ziehen.«10Aber der Levit wollte nicht länger bleiben und machte sich auf den Weg. Er kam mit seiner Frau und den beiden gesattelten Eseln bis vor die Jebusiterstadt Jerusalem. (Jos 15,63)11Weil der Tag zu Ende ging, sagte der Knecht zu seinem Herrn: »Lass uns in die Stadt gehen und dort übernachten!«12-13Aber sein Herr erwiderte: »Wir kehren nicht bei Fremden ein, die nicht zum Volk Israel gehören. Wir gehen noch bis nach Gibea oder nach Rama, dort übernachten wir.«
Nachtquartier gesucht
14So gingen sie weiter. Als die Sonne unterging, waren sie in der Nähe von Gibea im Gebiet des Stammes Benjamin.15Sie bogen von der Straße ab und gingen in die Stadt. Aber niemand wollte sie aufnehmen und so blieben sie auf dem öffentlichen Platz unter freiem Himmel.16Ein alter Mann kam gerade von der Arbeit auf dem Feld nach Hause. Es war ein Ortsfremder, der vom Bergland Efraïm stammte; die übrigen Bewohner der Stadt gehörten zum Stamm Benjamin.17Als er den Leviten im Freien rasten sah, fragte er ihn: »Wohin gehst du? Woher kommst du?«18Der Levit antwortete: »Wir kommen von Betlehem in Juda und wollen ans äußerste Ende des Berglandes Efraïm. Dort wohne ich und von dort bin ich nach Betlehem gereist. Jetzt bin ich auf dem Heimweg.[1] Niemand hat mich hier für die Nacht in sein Haus aufnehmen wollen.19Dabei haben wir Stroh und Futter für unsere Esel bei uns, auch Brot und Wein für mich, meine Frau und meinen Knecht. Du siehst, wir sind mit allem versorgt.«20Der Mann antwortete: »Seid mir willkommen, lasst mich für euch sorgen! Auf diesem Platz hier könnt ihr nicht übernachten.«21Er führte sie in sein Haus und warf den Eseln Futter vor. Dann wuschen sie die Füße und aßen und tranken miteinander. (1Mo 18,4; 1Mo 19,2; 1Mo 24,32; 1Mo 43,24)
Eine unerhörte Schandtat
22Während sie noch in aller Ruhe beim Mahl saßen, umstellten plötzlich die Männer der Stadt das Haus. Es waren verruchte Leute, sie trommelten gegen die Tür und forderten den Besitzer des Hauses auf: »Bring uns den Mann heraus, der bei dir eingekehrt ist! Wir wollen mit ihm Verkehr haben.« (1Mo 19,4; Hos 9,9; Hos 10,9)23Der alte Mann ging zu ihnen hinaus und sagte: »Nicht doch, Brüder, tut nicht so etwas Gemeines! Dieser Mann ist mein Gast, ihr dürft ihm nicht diese Schande antun.24Ich bringe euch meine Tochter, die noch Jungfrau ist, und dazu die Frau des Fremden; mit denen könnt ihr treiben, was ihr wollt. Aber an diesem Mann dürft ihr euch nicht so schändlich vergreifen.«25Als die Männer keine Ruhe gaben, nahm der Levit seine Nebenfrau und führte sie zu ihnen hinaus. Sie vergewaltigten sie die ganze Nacht über und ließen sie erst in Ruhe, als der Morgen dämmerte.26Die Frau schleppte sich zur Tür des Hauses, in dem ihr Mann übernachtete, und brach davor zusammen. So lag sie, bis es ganz hell wurde.27Als ihr Mann aus der Tür trat, um weiterzureisen, fand er sie dort; die ausgestreckten Hände lagen auf der Türschwelle.28»Steh auf, wir wollen weiter!«, rief er ihr zu, aber sie konnte nicht mehr antworten. Da lud er ihren Leichnam auf den Esel und reiste nach Hause.29Dort angekommen, nahm er ein Messer, zerteilte den Leichnam seiner Frau in zwölf Stücke und schickte jedem Stamm Israels eines davon. (1Sam 11,7)30Alle, die es sahen, sagten: »Solch ein gemeines Verbrechen ist in Israel noch nie begangen worden, seit unsere Vorfahren aus Ägypten hierher gekommen sind! Bedenkt das und haltet Rat, was zu tun ist!«