1In seinem 2. Regierungsjahr hatte König Nebukadnezar einen Traum, der ihm solche Sorgen machte, dass er nicht mehr schlafen konnte.2Da ließ er seine Berater rufen, alle Wahrsager, Geisterbeschwörer, Zauberer und Sterndeuter, damit sie ihm seinen Traum erklärten. Als sie sich vor dem König versammelt hatten,3begann er: »Ich habe etwas geträumt, das mir sehr zu schaffen macht. Nun möchte ich wissen, was es damit auf sich hat.«4Da antworteten die Sterndeuter auf Aramäisch[1]: »Lang lebe der König! Erzähl uns, deinen ergebenen Dienern, den Traum, dann wollen wir ihn deuten!« (Dan 7,28)5Aber der König entgegnete: »Nein, erzählt ihr mir, was ich geträumt habe, und erklärt es mir! Wenn ihr das nicht könnt, lasse ich euch in Stücke hauen und eure Häuser in Schutt und Asche legen. Niemand bringt mich davon ab.6Doch wenn ihr mir den Traum schildert und ihn deuten könnt, beschenke ich euch reich und lasse euch große Ehre zuteilwerden. Beschreibt ihn mir also und erklärt ihn!«7Die Männer baten noch einmal: »Der König möge ihn uns beschreiben; dann werden wir bestimmt sagen können, welche Botschaft er enthält.«8Da warf der König ihnen vor: »Ihr wollt euch doch nur herausreden und Zeit gewinnen, weil ihr wisst, dass ich meine Drohung wahr mache.9Wenn ihr mir nicht sagt, was ich geträumt habe, lasse ich euer Todesurteil vollstrecken. Ich durchschaue eure Pläne: Ihr wollt mir eine Traumdeutung vorsetzen, die nichts als Lug und Trug ist. So meint ihr, mich hinhalten zu können, bis mein Zorn sich gelegt hat[2]. Doch ich bleibe dabei: Erzählt mir den Traum, denn so erkenne ich, dass ihr mir auch die Wahrheit sagt, wenn ihr ihn erklärt.«10Die Sterndeuter antworteten: »Kein Mensch auf der ganzen Welt kann diesen Wunsch erfüllen. Noch nie hat ein König, und sei er noch so mächtig, so etwas von einem Wahrsager, Geisterbeschwörer oder Sterndeuter verlangt.11Was du uns da zumutest, ist für Menschen nicht möglich. Nur die Götter können dir, o König, deinen Traum offenbaren! Doch sie wohnen nicht bei uns sterblichen Menschen.«12Da verlor Nebukadnezar die Beherrschung. Voller Zorn ordnete er an, sämtliche königlichen Berater hinzurichten.13Überall gab man den Befehl bekannt: »Alle Gelehrten sollen getötet werden!« Auch nach Daniel und seinen Freunden wurde gesucht.14Als Daniel davon erfuhr, wandte er sich an Arjoch, den Oberbefehlshaber der königlichen Leibwache, der schon die Hinrichtungen vorbereitete. Er überlegte jedes Wort genau und fragte höflich:15»Warum hat Nebukadnezar einen solch harten Befehl erteilt?« Arjoch erzählte ihm, wie es dazu gekommen war.16Sofort ging Daniel zum König und bat ihn: »Gib mir etwas Zeit, dann werde ich dir deinen Traum deuten.«17Zu Hause erzählte er alles seinen Freunden Hananja, Mischaël und Asarja.18»Bittet den Gott des Himmels um Gnade«, sagte er zu ihnen, »fleht zu ihm, dass er mir anvertraut, was sich hinter diesem Geheimnis verbirgt! Sonst werden wir zusammen mit den anderen Beratern des Königs umgebracht!«19In der Nacht hatte Daniel eine Vision und erfuhr, was der Traum bedeutete. Da pries er den Gott des Himmels:20»Gelobt sei der Name Gottes, jetzt und in alle Ewigkeit! Gott allein gehören Macht und Weisheit.21Er ist der Herr der Zeit und bestimmt, was wann geschieht; er setzt Könige ab und überlässt anderen ihren Thron. Den Weisen schenkt er ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand!22Er enthüllt die unergründlichsten Geheimnisse und weiß, was im Dunkeln verborgen ist, denn er selbst ist vom Licht umgeben.23Ja, ich lobe und preise dich, du Gott meiner Vorfahren! Denn du hast mir Weisheit und Kraft geschenkt. Du hast unsere Gebete erhört und mir den Traum des Königs enthüllt!«24Nun ging Daniel zu Arjoch, der vom König beauftragt worden war, die babylonischen Gelehrten hinzurichten. Daniel bat ihn: »Lass die königlichen Berater nicht umbringen! Führ mich zu Nebukadnezar, denn ich kann ihm sagen, was er geträumt hat und was es bedeutet.«25Arjoch brachte Daniel auf dem schnellsten Weg zum König und berichtete: »Ich habe unter den Verbannten aus Juda einen Mann gefunden, der dem König seinen Traum erklären will!«26Nebukadnezar wandte sich an Daniel, der Beltschazar genannt wurde: »Kannst du mir denn wirklich sagen, was ich im Traum gesehen habe und was es bedeutet?«27»Mein König«, erwiderte Daniel, »hinter dein Geheimnis kann keiner deiner Berater kommen, weder Geisterbeschwörer noch Wahrsager noch Magier.28Aber es gibt einen Gott im Himmel, der das Verborgene ans Licht bringt. Dieser Gott hat dich, König Nebukadnezar, sehen lassen, was am Ende der Zeit geschehen wird. Und jetzt sage ich dir, welche Vision du im Traum hattest:29Als du auf deinem Bett lagst, warst du in Gedanken versunken. Dich beschäftigte, was in der Zeit nach deiner Herrschaft kommen würde. Und der Gott, der Geheimnisse enthüllt, hat dich in die Zukunft schauen lassen.30Wenn ich dir nun den Traum erzählen kann, dann nicht, weil ich klüger wäre als alle anderen Menschen. Nein, Gott hat es mir offenbart, damit du, mein König, eine Antwort auf das bekommst, was dich so beunruhigt.31In deiner Vision sahst du eine riesige Statue vor dir. Von ihr ging ein greller Glanz aus, und ihre ganze Erscheinung jagte dir Angst ein.32Der Kopf war aus reinem Gold, die Brust und die Arme waren aus Silber, Bauch und Hüften aus Bronze,33die Beine aus Eisen und die Füße teils aus Eisen, teils aus Ton.34Während du noch schautest, löste sich plötzlich ohne menschliches Zutun ein Stein von einem Berg. Er traf die Füße aus Eisen und Ton und zermalmte sie.35Die ganze Statue brach in sich zusammen; Ton, Eisen, Bronze, Silber und Gold zerfielen zu Staub, den der Wind wegblies wie die Spreu von einem Dreschplatz. Nichts war mehr davon zu sehen! Der Stein aber, der die Statue zertrümmert hatte, wuchs zu einem riesigen Berg und breitete sich über die ganze Erde aus.36Das war der Traum. Nun werde ich dir, mein König, erklären, was er bedeutet:37Du bist der mächtigste König, größer als alle anderen. Dir hat der Gott des Himmels die Herrschaft anvertraut und dir Macht, Stärke und Ruhm geschenkt.38Alle Menschen, ja sogar die wilden Tiere und die Vögel hat er in deine Hand gegeben. Er hat dich dazu bestimmt, über sie alle zu regieren. Du bist der Kopf aus Gold.39Das Reich, das nach dir kommt, wird schwächer sein als deines. Das dritte, das bronzene, wird die ganze Welt beherrschen.40Das vierte ist hart wie Eisen. Es zerschlägt alle anderen Reiche, so wie hartes, schweres Eisen alles zermalmt.41-42Doch du hast gesehen, dass die Füße und Zehen der Statue teils aus Eisen, teils aus Ton waren. Dies bedeutet: Das Reich ist zum Teil stark wie Eisen, zum Teil brüchig wie Ton.43Die Herrscher wollen ihre Familien durch Heiraten miteinander verbinden, doch ihr Bündnis hält nicht, genauso wenig wie sich Eisen und Ton mischen lassen.44Noch während diese Könige an der Macht sind, wird der Gott des Himmels ein Reich aufbauen, das niemals zugrunde geht. Keinem anderen Volk wird er jemals die Herrschaft übertragen. Ja, es bringt alle anderen Reiche zum Verschwinden und wird selbst für immer fortbestehen.45Das, mein König, war der Stein, der ohne menschliches Zutun vom Berg losbrach und die Statue aus Ton, Eisen, Bronze, Silber und Gold zertrümmerte. Ein mächtiger Gott hat dich in die Zukunft sehen lassen. Der Traum ist wahr, und die Deutung trifft ganz sicher zu!«46Da warf König Nebukadnezar sich ehrerbietig vor Daniel nieder. Er befahl, man solle ihm Opfer darbringen und Weihrauch für ihn verbrennen.47Zu Daniel sagte er: »Es gibt keinen Zweifel: Euer Gott ist der größte aller Götter und der Herr über alle Könige! Er bringt Verborgenes ans Licht, sonst hättest du dieses Geheimnis nie aufdecken können.«48Nebukadnezar gab Daniel eine hohe Stellung am Hof und beschenkte ihn großzügig. Er setzte ihn als Statthalter über die ganze Provinz Babylon ein und ernannte ihn zu seinem obersten Berater.49Auf Daniels Wunsch betraute er Schadrach, Meschach und Abed-Nego mit der Verwaltung der Provinz Babylon. Daniel selbst blieb am Hof des Königs.