1Wehe mir! Denn es ergeht mir wie bei der Obstlese, wie bei der Nachlese in der Weinernte: nicht eine Traube ist mehr da zum Essen, nicht eine Frühfeige, nach der mein Herz verlangt!2Ausgestorben sind die Frommen im Lande, und es gibt keinen Ehrlichen mehr unter den Menschen; allesamt liegen sie auf der Lauer nach Bluttaten, jeder macht Jagd auf den andern mit dem Fangnetz.3Auf das Böse sind ihre Hände gerichtet, um es eifrig auszuführen: der Fürst fordert, und der Richter steht ihm gegen Bezahlung zu Diensten; der Mächtige spricht das aus, wonach ihn in seiner Gier gelüstet, und dann flechten sie es ineinander.4Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch, der Rechtschaffenste noch schlimmer als eine Dornhecke. Aber der Tag, den deine Späher[1] angekündigt haben, dein Strafgericht, kommt heran: da wird die Bestürzung bei ihnen anheben.5Trauet keinem Genossen mehr, verlaßt euch nicht auf den Freund! Vor dem Weibe, das an deiner Brust[2] liegt, hüte die Pforten deines Mundes!6Denn der Sohn mißachtet den Vater, die Tochter lehnt sich gegen ihre Mutter auf, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter, und eines jeden Feinde sind die eigenen Hausgenossen. – (Mt 10,35)7Ich aber will nach dem HERRN ausschauen, will harren auf den Gott, der mir hilft: mein Gott wird mich erhören!8Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Denn bin ich auch gefallen, so stehe ich doch wieder auf, und sitze ich auch in Finsternis, so ist doch der HERR mein Licht.9Den Zorn des HERRN will ich tragen – denn ich habe gegen ihn gesündigt –, bis er meine Sache in die Hand nimmt und mir Recht schafft: er wird mich ans Licht herausführen, daß ich seine Gerechtigkeit mit Freuden schaue.10Auch meine Feindin wird es sehen, und Beschämung wird sie bedecken, sie, die zu mir gesagt hat: »Wo ist nun der HERR, dein Gott?« Meine Augen werden sich an ihrem Anblick weiden, wenn sie alsdann zertreten wird wie Kot auf der Straße. –11»Ein Tag kommt, wo deine Mauern wieder aufgebaut, der Tag, wo deine Grenzen hinausgerückt werden.12An jenem Tage wird man zu dir kommen von Assyrien bis Ägypten und von Ägypten bis zum Euphratstrom, von einem Meer bis zum anderen und von einem Gebirge bis zum anderen.13Die Erde aber wird zur Wüste werden um ihrer Bewohner willen, zur Strafe für ihre Taten.«14Weide dein Volk mit deinem Hirtenstabe, die Herde deines Erbteils, die da abgesondert für sich das Waldland[3] bewohnt auf dem Karmel[4]! Laß sie auch wieder in Basan und Gilead weiden wie in den Tagen der Vorzeit!15»Wie einst in den Tagen, als du aus Ägyptenland zogest, will ich sie wieder Wundertaten schauen lassen.16Die Heidenvölker werden es sehen und beschämt werden trotz all ihrer Macht; sie werden die Hand auf den Mund legen, und ihre Ohren werden taub sein;17sie werden Staub lecken wie die Schlangen, wie das Gewürm am Erdboden; zitternd werden sie aus ihren Burgen[5] hervorkommen, bebend dem HERRN, unserm Gott, sich nahen und vor dir sich fürchten.«18Wer ist ein Gott wie du, der Sündenschuld vergibt und an den Missetaten des Überrestes seines Eigentumsvolkes vorübergeht? Der nicht ewiglich an seinem Zorn festhält, sondern Freude an der Gnade hat?19Er wird sich unser aufs neue erbarmen, wird unsere Verschuldungen niedertreten[6] und alle unsere Missetaten in die Tiefen des Meeres versenken.20Du wirst an Jakob Treue, an Abraham Gnade erweisen, die du unsern Vätern zugeschworen hast in den Tagen der Vorzeit.
Micha 7
Lutherbibel 2017
Klage über die Verderbnis des Volkes
1Ach, es geht mir wie einem, der Obst pflücken wollte, der im Weinberge Nachlese hielt, doch keine Traube gab’s zu essen, keine Frühfeige, nach der ich verlangte! (Jer 6,9)2Die frommen Leute sind weg in diesem Lande, und die Gerechten sind nicht mehr unter den Leuten. Sie lauern alle auf Blut, ein jeder jagt den andern, dass er ihn fange. (Ps 12,2; Jes 57,1)3Ihre Hände sind geschäftig, Böses zu tun. Obere und Richter fordern Geschenke. Der Gewaltige redet nach seinem Mutwillen, und so verdrehen sie alles.4Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch und der Redlichste schlimmer als eine Dornenhecke. Der Tag ist gekommen, den deine Späher geschaut haben, deine Heimsuchung ist da; dann werden sie nicht wissen, wo aus noch ein. (Ri 9,14)5Niemand glaube seinem Nächsten, niemand verlasse sich auf einen Freund! Bewahre die Tür deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft! (Jer 9,3)6Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter widersetzt sich der Mutter, die Schwiegertochter ist wider die Schwiegermutter; und des Menschen Feinde sind seine eigenen Hausgenossen. (Mt 10,35)7Ich aber will auf den HERRN schauen und harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören.
Die Hoffnung der Gemeinde auf Gottes Gnade
8Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Wenn ich auch darniederliege, so werde ich wieder aufstehen; und wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der HERR mein Licht. (Ps 27,1; Ob 1,12)9Ich will des HERRN Zorn tragen – denn ich habe wider ihn gesündigt –, bis er meinen Rechtsstreit führe und mir Recht schaffe. Er wird mich ans Licht bringen, dass ich meine Freude an seiner Gerechtigkeit habe. (Jer 14,7)10Meine Feindin wird’s sehen müssen und in Schande dastehen, die jetzt zu mir sagt: Wo ist er, der HERR, dein Gott? Meine Augen werden’s sehen, dass sie dann wie Dreck auf der Gasse zertreten wird. (Ps 79,10; Joe 2,17)11Es kommt der Tag, da werden deine Mauern gebaut werden, der Tag, an dem die Grenzen sich weiten; (Jes 61,4)12an jenem Tag werden sie von Assur und von den Städten Ägyptens zu dir kommen, von Ägypten bis an den Euphrat, von einem Meer zum andern, von einem Gebirge zum andern.13Die Erde wird wüst sein ihrer Bewohner wegen, um der Frucht ihrer Werke willen.14Weide dein Volk mit deinem Stabe, die Herde deines Erbteils, die da einsam wohnt im Walde, mitten im fruchtbaren Lande; lass sie in Baschan und Gilead weiden wie vor alters! (Ps 95,7; Jer 50,19; Mi 5,3)15Lass uns Wunder sehen wie zur Zeit, als du aus Ägyptenland zogst,16dass die Völker es sehen und zuschanden werden in ihrer ganzen Macht und die Hand auf ihren Mund legen und ihre Ohren taub werden.17Sie sollen Staub lecken wie die Schlangen und wie das Gewürm auf Erden. Zitternd sollen sie hervorkommen aus ihren Verstecken. Dem HERRN, unserm Gott, sollen sie sich ängstlich nähern und sich vor dir fürchten. (Ps 72,9; Hos 3,5; Hos 11,11)18Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! (2Mo 34,6; Ps 103,3; Ps 103,8)19Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.20Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast. (1Mo 22,16; 1Mo 28,13; Lk 1,73)