1Unter der Regierung von König Asarhaddon also kehrte ich in mein Haus zurück und meine Frau Hanna und mein Sohn Tobias wurden mir wieder geschenkt. Am Pfingstfest, das wir sieben Wochen nach dem Passafest feiern, bereiteten sie mir ein festliches Mahl und ich legte mich zu Tisch.2Es wurden mir viele köstliche Speisen aufgetragen. Da sagte ich zu meinem Sohn Tobias: »Geh und sieh zu, ob du unter den verschleppten Israeliten hier in der Stadt einen armen Mann findest, der dem Herrn mit ganzem Herzen treu geblieben ist. Bring ihn her! Er soll das Mahl mit mir teilen. Ich fange nicht an, bevor du wieder da bist.« (Lk 14,13)3Tobias ging, um solch einen Israeliten zu suchen. Nach einer Weile kam er allein zurück und sagte: »Vater!« »Ja, mein Sohn?«, erwiderte ich. Da berichtete er: »Sie haben wieder einen aus unserem Volk umgebracht! Auf dem Marktplatz liegt er. Sie haben ihn erwürgt; es ist eben erst geschehen!«4Ich sprang auf und ließ das Essen stehen, ohne etwas angerührt zu haben, holte den Toten von der Straße weg und versteckte ihn in einem Schuppen. Nach Sonnenuntergang wollte ich ihn begraben.5Dann ging ich nach Hause, nahm ein Bad und aß das vorbereitete Mahl in großer Trauer. (4Mo 19,11)6Ich musste daran denken, was der Prophet Amos gegen das Heiligtum von Bet-El gesagt hatte: »Der Herr wird eure Freudenfeste in Leichenfeiern verwandeln; statt fröhliche Lieder zu singen, werdet ihr weinen und klagen.« Da kamen mir die Tränen. (Am 8,10)7Als die Sonne untergegangen war, hob ich ein Grab aus und begrub den Ermordeten.8Meine Nachbarn verspotteten mich und sagten: »Er hat wohl nichts mehr zu fürchten? Eben noch haben sie ihn wegen dieser Sache überall gesucht und wollten ihn töten. Da ist er weggelaufen. Und jetzt fängt er schon wieder damit an!«
Schweres Leid für den frommen Tobit
9Als ich in der Nacht zurückkehrte, nahm ich ein Bad und legte mich im Innenhof meines Hauses schlafen, gleich an der Mauer. Weil es so heiß war, ließ ich das Gesicht unbedeckt.10Ich wusste nicht, dass über mir in der Mauer Spatzen nisteten. Da fiel der warme Spatzenkot auf meine Augen und ich bekam weiße Flecken auf der Hornhaut. Ich suchte Hilfe bei den Ärzten; aber je mehr Salben sie an mir ausprobierten, desto schlimmer wurde es. Zuletzt konnte ich überhaupt nichts mehr sehen. So lebte ich vier Jahre. Alle meine Verwandten beklagten mein Unglück. Achikar aber sorgte zwei Jahre lang für meinen Unterhalt, bis er in die Provinz Elymaïs wegzog.11Meine Frau Hanna suchte durch Webarbeiten Geld für unseren Lebensunterhalt zu verdienen.12Wenn sie etwas fertig hatte, brachte sie es dem Auftraggeber und bekam ihren Lohn ausbezahlt. Einmal, es war am 7. Tag des Monats Dystros,[1] nahm sie wieder das fertige Stück Tuch vom Webstuhl und lieferte es ab. Der Auftraggeber zahlte ihr den vollen Lohn und gab ihr zusätzlich noch ein Ziegenböckchen mit.13Als sie damit nach Hause kam, begann es zu meckern; da fragte ich sie: »Wo kommt das Böckchen her? Du hast es doch nicht gestohlen? Gib es sofort seinem Besitzer zurück! Es ist undenkbar, dass wir etwas Gestohlenes essen!«14Sie antwortete mir: »Es ist ein Geschenk, ich habe es zum Lohn dazubekommen.« Aber ich glaubte ihr nicht und befahl ihr, es zurückzubringen; das Blut stieg mir zu Kopf vor Zorn. Da erwiderte sie: »Und was hast du jetzt von deinen guten Taten? Was hast du von den vielen Almosen, die du anderen gegeben hast? Man sieht ja, was es dir eingebracht hat!« (Hi 2,9)
Tobit 2
Lutherbibel 2017
1Danach, als Asarhaddon König war, kehrte ich in mein Haus zurück. Und meine Frau Hanna und Tobias, mein Sohn, wurden mir wiedergeschenkt. Und an unserem heiligen Wochenfest bereitete man mir ein herrliches Mahl, und ich setzte mich nieder, um zu essen.2Als mir der Tisch mit den vielen Speisen vorgesetzt wurde, sagte ich zu Tobias, meinem Sohn: Kind, geh hin, und wenn du unter unseren Brüdern, die nach Ninive verbannt wurden, einen Armen findest, der mit ganzem Herzen des Herrn gedenkt, so lade ihn ein, mit mir zu essen. Und siehe, mein Kind, ich will auf dich warten, bis du wiederkommst.3Da machte sich Tobias auf, um einen Armen unter unseren Brüdern zu suchen. Und als er zurückkam, sagte er: Vater! Und ich sagte zu ihm: Hier bin ich, mein Kind! Und er antwortete und sprach: Vater, siehe, einer aus unserem Volk wurde ermordet und ist auf den Marktplatz geworfen worden – dort liegt er nun erwürgt.4Da sprang ich auf und ließ das Essen stehen, ehe ich davon gekostet hatte. Und ich trug ihn weg vom Marktplatz und legte ihn in eine Hütte, bis die Sonne untergegangen war und ich ihn heimlich begraben konnte.5Dann ging ich zurück, wusch mich und aß mein Brot in großer Trauer. (Hes 24,17)6Und ich dachte an das Wort des Propheten, das Amos über Bethel gesagt hatte: Eure Feiertage sollen in Trauer verwandelt werden, und alle eure Lieder in Wehklagen. (Am 8,10)7Und ich weinte. Als aber die Sonne unterging, machte ich mich auf, hob ein Grab aus und begrub ihn.8Aber meine Nachbarn verspotteten mich und sagten: Fürchtet er sich nicht mehr? Erst neulich wurde er doch gesucht, um für solch eine Tat getötet zu werden. Da ist er davongelaufen – und siehe, schon begräbt er wieder die Toten!9Es geschah aber in derselben Nacht, da wusch ich mich und ging in meinen Hof und schlief im Schutz einer Mauer. Wegen der Hitze war mein Gesicht unbedeckt.10Ich wusste aber nicht, dass Schwalben über mir in der Mauer nisteten. Und ihr Dreck fiel heiß auf meine Augen und machte dort weiße Flecken. Da ging ich hin zu vielen Ärzten, um mich heilen zu lassen, aber je mehr Salben sie mir aufstrichen, umso mehr erblindeten meine Augen durch die Flecken, bis sie endlich ganz blind waren. Vier Jahre lang konnte ich damals meine Augen nicht gebrauchen. Und alle meine Brüder waren betrübt um meinetwillen. Achikar aber versorgte mich zwei Jahre lang, bis er nach Elam ging.
Der Streit mit Hanna
11Zu jener Zeit ernährte mich meine Frau Hanna durch Arbeiten, wie Frauen sie tun;12und sie schickte ihre Arbeiten ihren Herren, und die gaben ihr den Lohn. Und am siebenten Tag des Monats Dystros schnitt sie das Webtuch ab und sandte es den Herren. Die gaben ihr den ganzen Lohn und dazu ein Ziegenböcklein für den Herd.13Als sie dann zu mir kam, fing das Böcklein zu blöken an. Und ich rief sie und sprach: Woher ist das Böcklein? Wenn das nur nicht gestohlen ist! Gib es dem Besitzer zurück! Denn es ist uns nicht erlaubt, von gestohlenem Gut zu essen!14Sie aber sprach zu mir: Ich bekam es als Geschenk zu meinem Lohn hinzu. – Ich aber glaubte ihr nicht und befahl, es den Besitzern zurückzugeben. Und ich wurde ihretwegen schamrot. Da antwortete sie und sprach zu mir: Wo sind jetzt deine Almosen, wo deine gerechten Werke? Man sieht doch, was du davon hast. (Hi 2,9)