»Am Anfang war das Wort«: Das Lied, mit dem das Johannes-Evangelium eröffnet wird, bedient sich bestimmter Vorstellungen damaliger jüdischer Religion und außerjüdischer Philosophie, um Würde und Bedeutung von Jesus angemessen zu verkünden. Es ist zunächst im Licht von Gen 1 zu lesen: Gottes Wort hat die Welt ins Dasein gerufen (»Gott sprach«). Eben diese Macht, der die Welt Dasein, Licht und Leben verdankt, ist als ein Mensch von Fleisch und Blut inmitten der Welt erschienen (Joh 1,1-4.14). Noch mehr erschließt sich das Lied im Zusammenhang der Vorstellungen, die im Judentum über die göttliche Weisheit ausgebildet worden waren. Diese Weisheit, die vor aller Schöpfung da war, durch die alles geschaffen wurde (Weish 9,1-2), die schon lange zu dieser Welt, speziell aber zu Israel in spannungsreicher, wechselvoller Beziehung stand (Joh 1,5.10-12), ist in Jesus persönlich auf den Plan getreten (Joh 1,14). Indem jedoch nicht von der »Weisheit«, sondern vom »Wort« gesprochen wird, ist bewusst jener Begriff (griechisch logos) gewählt, der in der damaligen Philosophie die alles durchwaltende göttliche Weltvernunft bezeichnet. Diese steht in der Person von Jesus vor aller Welt da. Auf diese Weise wird sein Rang und Anspruch auch der nichtjüdischen Welt gegenüber deutlich gemacht. Im Unterschied zu den Vorstellungen, auf die das Lied Bezug nimmt und denen es seine Bilder und Begriffe entleiht, wird in ihm jedoch betont, dass das »Wort«, das in Jesus ein Mensch wurde, nicht ein Geschöpf - und sei es auch das erste und vornehmste -, sondern selbst Gott ist (Joh 1,1-2; vgl. 1,18; 20,28; 1Joh 5,20) und dass es in Jesus wirklich und wahrhaftig Mensch, ein Mensch von Fleisch und Blut, wurde (Joh 1,14; vgl. 1Joh 4,2-3; Gnosis).